Der Leit(hammel)artikel - Eine Fabel

Leithammel "Es geht hier um natürliche Autorität. Entweder man hat sie, oder man hat sie nicht", so der Leithammel. Es bleibt jedoch die Frage offen, ob noch von natürlicher Autorität die Rede sein kann, wenn diese ein regelrechtes Verstummen, ein Schweigen der Lämmer hervorruft. Oder ist deren völlige Passivität allein durch den Herdentrieb und das fehlende Interesse an Eigeninitiative zu erklären? Ist es nicht gerade die Aufgabe des Leithammels, das Einschlagen von neuen Wegen und das Suchen nach unbekannten Weidegründen zu fördern und die "abtrünnigen" Lämmer nicht immer sofort zur Herde zurückzutreiben?

Diese Fragen mitunter Anlaß für uns, das Schweigen zu brechen. So fanden sich am 7.11.1995 drei kleine Schafe zu einem Gespräch mit dem Leithammel im Hauptstall ein. Wie hebt sich ein Leithammel eigentlich von der Masse der gemeinen Schafe ab? Diese Einstiegsfrage ermöglichte dem "Oberschaf", endlich einmal seine Position und seinen Tätigkeitsbereich in aller Ausführlichkeit darzulegen, wobei er sich auch nicht durch Zwischenfragen unsererseits stören ließ. Die Möglichkeit des Scherens von noch formbaren Jungtieren (Schüler) und nicht etwa von schon ausgereiften Schafen, eventuell sogar von sturen Hammeln (Studenten), war unter anderem ausschlaggebenden für seine Entscheidung, der Leithammel des RGW zu werden. Und selbst die saftigen Wiesen im Herzen Bayerns konnten ihn nicht von den Würzburger Weidegründen weglocken. Ein wichtiges Anliegen ist ihm auch der ständige Kontakt zu den Lämmern und ihren Muttertieren, auch wenn ihm als Leithammel kaum Zeit dazu bleibt. Teilweise auftretende Verhaltensstörungen in der Folgegeneration, die sich beispielsweise am Abbeißen von Geranienköpfen im Schulgehege äußern, erklärt er durch die frühe Entwöhnung der Jungtiere von den Muttertieren (Berufstätigkeit beider Elternteile der Parentalgeneration). Die zum diesjährigen Hammelsprung zugelassenen Schafe beurteilt er vom zwischenschaflichen Aspekt her positiv. Es fehlen ihm jedoch Spitzentiere, die sich durch außergewöhnliche Wolle- und Milchproduktion auszeichneten. Ganz im Gegensatz zum Leithammel, der sich schon zu seiner Hammelsprungzeit von der Masse der gemeinen Schafe abhob: Er selbst stellte eines dieser Hochleistungstiere dar und war aus diesem Grund auch befähigt, die Rede zum Hammelsprung zu halten. Auch arbeitete er an seiner eigenen Hammelsprungzeitung mit. Allgemein charakterisiert er diese als Barometer, sowohl für die Herde als auch für die Einzeltiere. Folglich wird auch unsere Hammelsprungzeitung mit wachen Schafsaugen begutachtet werden.

Was das Gespräch mit dem Leithammel betrifft, wurden die drei Schafe ehr unbefriedigt aus dem Hauptstall entlassen, da das "Oberschaf" über eine ausgezeichnete Blökgewandtheit verfügt.

Und die Moral von der Geschicht, meß Dich mit dem "Oberschafe" nicht!

Katrin Schmidt, Philipp Blank, Petra Ney


<ZURÜCK> <INHALT> <WEITER>