Leistungskurs Französisch

Was Sie schon immer über den Table carrée wissen wollten

LK Franzoesisch Montag morgen, 9.30 Uhr, Sanderring 8. Ich folge dem verlockenden Kaffeeduft in den ersten Stock bis zu Zimmer 111. Kurzentschlossen öffne ich die Tür. Eine zarte, süßliche Stimme haucht mir ein "Bonjour" entgegen. Nachdem sich meine Augen an das Sonnenlicht gewöhnt haben, das den ganzen Raum durchflutet, entdecke ich das engelsgleiche, blondgelockte Wesen, dem diese Stimme gehören muß.

Die Dame bittet mich herein und plötzlich wird mir gewahr: Dies muß er sein: Der Table carrée. Im Unterschied zum Table ronde der deutsch-französischen Gesellschaft sind hier die Tische im Viereck angeordnet. Elf Personen widmen sich in heiterer Atmosphere bei Kaffee und Kuchen im Dialog (und Monolog) der französischen Sprache. Ich lasse mich in dieser Runde nieder und bin so gefesselt vom Anblick der graziös Übereinandergeschlagenen bloßen Schenkel, daß meine Sinne zunächst nicht fähig sind, den "Sujets" der Konversation zu folgen. Die existenziellen Themen der Diskussion verlangen aber bald schon meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit: Satin-Unterwäsche ("Wer von Ihnen trägt eigentlich Satin-Dessous?"), behaarte Männer ("Sönke, êtes vous poilu?"), Eigenschaften des Traumpartners...

Diese ergiebige Konversation soll aber bald schon durch ein permanentes unterschwelliges Gekicher und "Gegacker" gestört werden, das mit den harschen Worten: "Bianca, je ne le supporte plus!" und "Katharina, Sie Miststück!" jäh unterbrochen wird. Ein sadistisches Lächeln huscht über die Gesichter der anderen Kursteilnehmer. In diesem Moment wird mir bewußt, daß es sich hier nur oberflächlich um einen harmonischen französischen Kaffeeplausch handelt. Nicht nur verbale Giftpfeile, die aus allen Ecken des Zimmers zwischen den Kursteilnehmern zischen, zeugen von der zankfreudigen Grundstimmung des Kurses, sondern auch die grammatikalische Vergewaltigung der französischen Sprache durch einen gewissen Cursteilnehmer. Die Gewalt eskaliert schließlich in simulierten Pistolenschüssen der Kursleiterin: "Je vous tue!" - Dennoch haben fast alle überlebt.

Als nun der Moment des Abschieds für mich und auch für die übrigen Teilnehmer kommt, lüftet sich mir noch das große Geheimnis der immerwährenden Vollzähligkeit dieser Versammlung: Die Aussicht, immer wieder neue intime Details der vielseitigen Persönlichkeit des blondgelockten Wesens zu erfahren, ist dann auch der Anreiz für die Teilnehmer, trotz der oft so "aggressiven" Grundstimmung den jeweiligen Stammplatz am Table carrée einzunehmen. - "Morgen dürfen Sie erraten, welches Parfüm ich trage."

P.S.: Den verschiedenen "occasions" entsprechend, handelt es sich hierbei unter anderem um "fleur des fleurs".

Phillip Blank, Mascha Sinjakova, Bianca Balling und Katharina Eisen

 


Gedanken zu F6:

Generelles:
1994 (12/1) 6 filles : 6 garçons
1996 (13/2) 4 filles: 6 garçons

• Das feminine Element war nur zahlenmäßig unterrepräsentiert.
• F6: Ein multinationaler Kurs mit
  deutsch-französisch-rumänisch-polnisch-russischer Völkerverständigung.

Erfreuliches:
• Die geringe Fehlquote
• Die Leistungssteigerung aller (die Note 1 war in diesem Kurs keine Seltenheit)
• Literatur - ob von Voltaire, Flaubert, Camus, etc. - wurde mit großem Interesse
  gelesen und interpretiert (Maschas "erweiterte" Kenntnisse verdienen hier Erwähnung)
• Die kulinarischen Genüsse: Kaffee und 3-Sterne-(Geburtstags)-Kuchen
• Pique-nique à la française am Mainufer

Besonderes:
• Der Tag, an dem Bianca pünktlich kam - sie hatte kein wichtiges Gespräch mit einem
  Kursleiter/Mitschüler (angenehm für Katharina, dann konnten die beiden "bavardeuses"
  gleich los legen - und Bianca holte spontan die Milch für den Montagskaffee)?
• Der Tag, an dem Christian B. sich in einen blonden Wikinger verwandelte
• Der Tag, an dem Lorena und Philipp nicht politische/ökologische Diskussionen führten
• Der Tag, an dem der erste Unibesuch mit französischer Vorlesung über Camus stattfand.

Weiteres:
• Wenn Sönke einmal wieder "je refuse" zelebrierte, bestand der Verdacht, daß er
  entweder die (Un)geduld der Kursleiterin testen wollte, oder uns aber alle an seiner
  superben Aussprache teilhaben lassen wollte.
• Mascha ist nicht nur ein "Literaturfreak", sie macht auch tolle Photos.
• Gabriel und Christian S., das eifrige, stille Gespann, müssen wir besonders  im Auge
  behalten. Wir hoffen doch sehr, von Christian bei unseren internationalen 
  Wirtschafts-Zukunfts-Planungen beraten zu werden. Von Gabriel erwarten wir natürlich
  eine Einladung zu seiner ersten Vorlesung (Antrittsvorlesung!) an der Sorbonne.
• Hätten wir ohne "forestier" Hubertus so viele subjonctif-Formen gehört - gelernt -
  wiederholt? (permettez que je vous fasse des compliments).

Zwei angenehme und erfolgreiche Kursjahre - hoffentlich für alle.
       Bonne chance à tous et au revoir!
                I. Blumberg 


 

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